Wie hat sich die Umsetzung des neugeänderten Tariftreue- und Vergabegesetzes entwickelt?
Tarifverträge sorgen für gute und transparente Entlohnung, regeln Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Zuschläge sowie die Arbeitszeit und die betriebliche Altersvorsorge.
Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in Düsseldorf zufolge arbeiten Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben im Schnitt eine Stunde pro Woche weniger und verdienen zehn Prozent mehr als Beschäftigte in nicht-tarifgebundenen Unternehmen. Zudem sind Tarifverträge ein wichtiges Instrument, um für mehr Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern zu sorgen.
Auch Arbeitgeber*innen profitieren von Tarifverträgen. Zum einen geben sie einen verlässlichen Rahmen vor, sodass Gehälter und Arbeitsbedingungen nicht für alle Beschäftigten einzeln verhandelt werden müssen. Branchentarifverträge sorgen darüber hinaus für faire Rahmenbedingungen, damit der Wettbewerb zwischen den Unternehmen nicht über Löhne – also auf dem Rücken der Beschäftigten – ausgetragen wird. Schließlich profitieren auch die Kommunen von einer hohen Tarifbindung. Da tarifgebundene Beschäftigte ein höheres Einkommen beziehen, wirkt sich dies sowohl auf die Beitragshöhe bei der Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung aus als auch auf die Höhe der Steuerabgaben.
Leider ist der Anteil tarifgebundener Unternehmen immer noch zu gering. In Deutschland insgesamt wenden nur 25 Prozent der Betriebe einen Tarifvertrag an. In Bremen liegt der Anteil trotz zuletzt leichter Verbesserungen mit 23 Prozent sogar noch darunter. Besonders problematisch ist, dass sich auch Großunternehmen wie Amazon und Tesla seit jeher der Tarifbindung entziehen. Umso wichtiger ist es, die Tarifverträge zu stärken. Hier ist sowohl die Bundes- als auch die Landespolitik gefragt. Über die Vergabe öffentlicher Aufträge besteht ein erhebliches Steuerungspotenzial. Die öffentliche Hand sollte deshalb dieses Potenzial bei der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen nutzen, um die Tarifbindung zu fördern.
Bremen hat in der letzten Legislaturperiode bereits einen wichtigen Schritt unternommen, um die Tarifbindung im Land Bremen zu stärken: Das erweiterte Tariftreue- und Vergabegesetz ist zum 10.2.2023 in Kraft getreten.
Tarifliche Entgelte müssen diesem Gesetz zufolge nicht mehr nur im Baugewerbe und im ÖPNV zur Anwendung
gebracht werden, sondern auch im Dienstleistungssektor. So wird verhindert, dass tarifgebundene Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge benachteiligt werden. Allerdings ist das Gesetz noch nicht zur Anwendung gebracht worden.
Wir fragen den Senat:
1. Wann kann die Neuregelung des Tariftreue- und Vergabegesetzes zur Anwendung gebracht werden?
2. Was sind die Gründe dafür, dass die Neuregelung bisher noch nicht angewendet wird?
3. Welche vorbereitenden Maßnahmen zur Umsetzung wurden bereits angegangen?
4. Wie viele der zusätzlich benötigten Personalstellen wurden bisher
a. bewilligt
b. ausgeschrieben
c. besetzt?
5. Vorgesehen ist nach dem neuen Gesetz, dass der Senat jährlich die Höhe des tätigkeitsspezifischen Mindestentgelts, einschließlich der Überstundenzuschläge, sowie die jeweiligen Anforderungen an die Eingruppierungsmerkmale in Form von Lohngittern festlegt, wobei eine Ausdifferenzierung der Lohngitter nach einzelnen Leistungsbereichen erfolgen soll. Die Entscheidung darüber, welche Tarifverträge als maßgeblich für die Ausgestaltung der Lohngitter anzusehen sind, soll nach dem neuen Gesetz ein Beirat vorbereiten. Wann wird der Beirat, der die Entscheidung darüber vorbereiten soll, welche Tarifverträge als maßgeblich für die Ausgestaltung der Lohngitter anzusehen sind (§9 Absatz 2), eingerichtet?
6. Welche Aufgaben allgemein hat der Beirat?
7. Wann plant der Bremer Senat die Verabschiedung der Lohngitterverordnung
(§9)?
8. Wie sind die Lohngitter ausgestaltet?
9. Neben der erweiterten Anwendung von Mindestentgelten bei öffentlichen Bau- und Dienstleistungsaufträgen wurden im neuen Gesetz die Regelungen zu Stichprobenkontrollen verändert. Eine Sonderkommission (Soko Mindestlohn) soll die Überprüfung der Einhaltung der Vereinbarungen zu Mindestentgelten, vor allem durch Vor-Ort-Begehungen, übernehmen und damit die öffentlichen Auftraggeber*innen im Land Bremen von ihren Kontrollaufgaben entlasten.
Wie viele Kontrollen durch die Soko Mindestlohn haben in Bremer Betrieben bisher stattgefunden?
10. Zu welchen Ergebnissen kamen die Kontrollen der Sonderkommission?
Maja Tegeler, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE