Wird die Corona-Pandemie geschlechtergerecht bewältigt?

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Seit vielen Monaten führt die Corona-Pandemie zu einem Ausnahmezustand, der deutlicher denn je bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sichtbar werden lässt. Trotz aller Unterstützungen, im Beruflichen wie im Privaten, ist schon jetzt zu befürchten, dass Frauen* bei den Maßnahmen zur Abmilderung der Krisenfolgen ins Hintertreffen geraten. Der Deutsche Frauenrat forderte deshalb schon früh eine geschlechtergerechte Krisenpolitik, die sicherstellen solle, dass die dafür eingesetzten Steuermittel gleichermaßen bei allen Geschlechtern ankommen.

Während der Schutzmaßnahmen im Frühjahr standen v.a. Mütter* vor kaum zu bewältigenden Herausforderungen. In Familien mit Kindern mussten diese wegen der Schließung von Kitas und Schulen tagsüber betreut, versorgt und zum Teil unterrichtet werden. Gleichzeitig sollte der Job im Homeoffice erledigt werden. Ebenso waren pflegende Angehörige z.B. durch die Schließung von Tagespflegeeinrichtungen in ihrer Erwerbsarbeit deutlich eingeschränkt und von finanziellen Einbußen betroffen. Das alles ist schon für Elternpaare eine Herausforderung, für Alleinerziehende eine oft nicht lösbare Aufgabe.

Viele Frauen* arbeiten in Minijobs, im informellen Sektor oder sind anderweitig prekär beschäftigt und waren somit beruflich und finanziell kaum geschützt. Da diese Bereiche oftmals aus den wirtschaftspolitischen Schutzschirmen herausfallen, besteht die Gefahr, dass Frauen* deswegen bei der Mittelvergabe im Zuge der Corona-Pandemie benachteiligt werden. Damit langfristig nicht doch vor allem Frauen* finanziell wegen ihrer häufig anderen Erwerbsbiografie unter der Pandemie leiden, ist es umso wichtiger, dass bei den Maßnahmen zur Abmilderung der Corona-Krise verstärkt immer auch die Branchen, in denen überwiegend Frauen* tätig sind, wie beispielsweise das Gastgewerbe, in den Blick genommen werden. Namhafte Expert*innen haben in der Pandemie frühzeitig darauf hingewiesen, die Hilfsmaßnahmen geschlechtergerecht zu gestalten. So heißt es in dem Papier des Rats für Nachhaltige Entwicklung, die Krise sei ‚eingebettet in soziale Ungleichheitsstrukturen‘ und Frauen insgesamt stärker betroffen als Männer.

Das Augenmerk auf Frauen* ist vor allem vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass sie in der Pandemie einen bedeutenden Teil der gesellschaftlich relevanten Aufgaben übernehmen. So sind sie überproportional in der bezahlten und unbezahlten Carearbeit beschäftigt, übernehmen Aufgaben wie Pflege in Pflegeheimen, Krankenhäusern, ambulant und im häuslichen Bereich.

Eine geschlechtsspezifische Aufschlüsselung der Corona-Soforthilfen ist bisher nicht vorgesehen. Ziel muss aber bleiben, die systematische Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern abzubauen und bei zukünftigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen sogfältig darauf zu achten, dass keine zusätzlichen Benachteiligungen entstehen. Grundvoraussetzung dafür könnte eine geschlechtergerechte Verteilung der Mittel in allen öffentlichen Haushalten sein.

Wir fragen den Senat:

  1. Welche Auswirkungen sind durch die Corona-Pandemie bisher auf die unterschiedlichen Erwerbslagen der Geschlechter zu beobachten und welche Konsequenzen zieht der Senat daraus?
  2. Welche Auswirkungen sind durch die Corona-Pandemie insbesondere auf die Gruppe der Alleinerziehenden zu beobachten?
  3. Welche Maßnahmen zur Abfederung von besonders nachteiligen Auswirkungen auf Alleinerziehende, insbesondere im Bereich Vereinbarkeit von Beruf und Familie, plant der Senat?
  4. Inwiefern berücksichtigt(e) der Senat sowohl bei den Corona-Maßnahmen, als auch bei den finanziellen Soforthilfen die Geschlechterperspektive?
  5. Hat in Bezug auf die Corona-Schutzmaßnahmen eine geschlechtsspezifische Evaluierung der Folgen stattgefunden? Wenn ja, wie lauten die Ergebnisse?
  6. Hat bei den Corona-Soforthilfen eine Aufschlüsselung der Anträge und Bewilligungen nach geschlechtsspezifischen Parametern stattgefunden? Wenn ja, wie lauten die Ergebnisse? Wenn nicht, warum?
  7. In welchem Verhältnis sind finanzielle Corona-Soforthilfen bislang in Branchen, in denen überwiegend Männer arbeiten, im Vergleich zu Branchen, in denen überwiegend Frauen* arbeiten, geflossen?
  8. Inwieweit wurden besonders prekäre Branchen, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten, bei den Corona-Soforthilfen mitgedacht?
  9. Wie viele Arbeitnehmer*innen im Land Bremen  befinden sich aufgrund der Pandemie in Kurzarbeit (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?
  10. Wie viele Mini-Jobs sind im Land Bremen im Laufe der Pandemie weggebrochen und in welchem Ausmaß sind davon Frauen* betroffen?
  11. Welche Erkenntnisse hat der Senat darüber, inwiefern insbesondere auch Migrant*innen von den arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen der Pandemie betroffen sind?
  12. Inwieweit wird bei der Verausgabung der Finanzhilfen im Rahmen des Bremen-Fonds darauf geachtet, dass durch die Verteilung der Mittel bestehende Ungleichheiten nicht zementiert werden?
  13. Inwieweit findet ein Gender-Controlling über die Mittel aus dem Bremen-Fonds statt?

Dr. Henrike Müller, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maja Tegeler, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE
Antje Grotheer, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD

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