Täterarbeit als Prävention

TegelerJustiz & Inneres, Religion

Das Thema „Häusliche Gewalt“, also Gewalttaten, die in persönlichen Beziehungen und im sozialen Nahraum begangen werden, hat im Zuge der Corona-Pandemie zusätzlich an Signifikanz gewonnen. Neben den zahlreichen kurzfristigen Maßnahmen, die zur Hilfe Betroffener und zu deren Schutz angezeigt sind, ist auch präventive Täterarbeit ein wesentlicher Aspekt im Kampf gegen häusliche Gewalt. Die Arbeit mit den in engen sozialen Beziehungen gewalttätigen Tätern bietet einen sinnvollen Lösungsansatz, um deren Opfer vor weiteren Angriffen zu schützen. Letztlich ist allerdings insgesamt noch ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel notwendig, um Gewalttätigkeit in persönlichen Beziehungen zu verhindern. Dafür müssen Angebote in der frühen Sozialisation vor allem von Männern als ein wichtiger Teil präventiver Täterarbeit begriffen werden, der verhindern kann, dass Männer zu Tätern werden.

Täterarbeit ist ein Bestandteil der Interventionskette gegen häusliche Gewalt. Sie findet in Kooperation und Vernetzung aller relevanten Institutionen, wie etwa Justiz, Polizei, Frauen*unterstützungseinrichtungen, Kinder- und Jugendhilfe, statt und kann Schutz vor zukünftiger Gewalt bieten. Täterarbeit zielt darauf ab, Gewalttäter davon abzuhalten, weitere Gewalttaten zu begehen. Gewalttäter können im Rahmen von strafrechtlichen Verfahren von Gerichten, den Staatsanwaltschaften in Abstimmungen mit den jeweiligen Gerichten und dem Be- oder Angeschuldigten, mit entsprechenden Auflagen oder Weisungen belegt werden, z.B. der Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs oder an Einzelberatungen. Die erfolgreiche Teilnahme an solchen Maßnahmen kann auch zur Bedingung einer Verfahrenseinstellung, einer Verwarnung mit Strafvorbehalt oder einer Strafaussetzung zur Bewährung gemacht werden.

Die Ergebnisse wissenschaftlicher Begleitung bestätigen, dass Täterarbeit, insbesondere die längerfristige Einzelberatung, im Kontext von Interventionsprojekten eine sinnvolle Maßnahme ist, um Gewalttätige von weiteren Gewalttaten abzuhalten. Knapp zwei Drittel der Männer, die ein Programm begannen, schlossen es auch ab. Dabei hielten Täter, die aufgrund einer justiziellen Weisung oder Auflage an einem Täterprogramm teilnehmen, signifikant häufiger die Teilnahme durch. Es zeigte sich, dass Täter häuslicher Gewalt sich seltener aus eigener Motivation bei Täterprogrammen meldeten. Oftmals ist deshalb gerade ein äußerer Druck nötig, damit Täter an entsprechenden Programmen, Einzelberatungen und/ oder sozialen Trainingskursen kontinuierlich und komplett teilnehmen.

Damit Täterarbeit erfolgreich als wichtiger Baustein für die Bekämpfung von häuslicher Gewalt eingesetzt werden kann, ist es wichtig, dass qualifizierte Täterprogramme angeboten werden und Gerichte und Staatsanwaltschaften von ihren Weisungsmöglichkeiten Gebrauch machen.

Wir fragen den Senat:

  1. Welche Maßnahmen hat der Senat zur Aufklärung über das Thema „Häusliche Gewalt“ in der Gesellschaft unternommen?
  2. Inwiefern ist präventive Täterarbeit Teil der Maßnahmen?
  3. Inwiefern ist die Sozialarbeit mit Jungen an Schulen Teil der Maßnahmen?
  4. Welche Rolle spielt präventive Täterarbeit nach Auffassung des Senats bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt?
  5. Welche Programme, Maßnahmen und Beratungseinrichtungen werden im Land Bremen zur präventiven Täterarbeit angeboten (aufgeschlüsselt nach beiden Stadtgemeinden)? Welche Erfahrungen wurden mit den bisherigen Programmen gemacht?
  6. Welche Fortbildungsmaßnahmen gibt es z.B. für Fachkräfte des Bildungs-, Betreuungs- und Gesundheitswesens zum Thema präventive Täterarbeit?
  7. Welche besonderen Maßnahmen ergreift der Senat im Zuge der besonderen Bedingungen während der Pandemie zur Verhinderung von häuslicher Gewalt und zur präventiven Täterberatung?
  8. Werden Täter häuslicher Gewalt in Fällen der Wegweisung über Beratungsangebote informiert? Inwieweit findet hier eine Kooperation vom Amt für Soziale Dienste/Amt für Jugend, Familie und Frauen (Bremerhaven), der Polizei und spezifischen Beratungsstellen statt?
  9. Welche Kosten entstehen für freiwillige Teilnehmer von präventiven Täterprogrammen?
  10. Ist es für Klienten, die freiwillig an Programmen präventiver Täterarbeit teilnehmen, bei finanziellen Engpässen möglich, eine anteilige Kostenübernahme zu beantragen?
  11. Wie bewertet der Senat die Wirksamkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs in Fällen von häuslicher Gewalt?
  12. In welchen Fällen wird Tätern häuslicher Gewalt die Weisung zur Teilnahme an einer Einzelberatung (Täterarbeit) erteilt und wie werden die Erfahrungen damit beurteilt?
  13. Welche Schulungsmaßnahmen plant der Senat im Nachgang der aktuellen Polizeigesetzreform, um Polizist*innen mit den Änderungen in Bezug auf häusliche Gewalt vertraut zu machen?
  14. Wie werden Polizist*innen im Rahmen der Aus- und Fortbildung für das Thema häusliche Gewalt sensibilisiert? Gibt es Pläne, diese Angebote auszubauen?

Dr. Henrike Müller, Sahhanim Görgü-Philipp, Sülmez Dogan, Dorothea Fensak, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Antje Grotheer, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Maja Tegeler, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE

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