Corona-Nothilfe für Minijobber:innen bereitstellen, mehr sozialversicherungspflichtige Arbeit ermöglichen

67.257 Bremer:innen und Bremerhavener:innen haben vor der Covid-19-Pandemie (Stand März 2020) in einem Minijob gearbeitet. Die beschäftigungsstärksten Branchen für Minijobber:innen waren dabei 2019 das Dienstleistungsgewerbe (16,6 Prozent), gefolgt vom Gastgewerbe (15,8 Prozent) sowie dem Bereich Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz (14,5 Prozent), so Zahlen aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion im November 2020 (Drs. 20/701). Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens im Zuge der Covid-19-Pandemie seit dem Frühjahr 2020 treffen die Beschäftigungsgruppe der Minijobber:innen insofern besonders schwer. Dabei hat sich die Covid-19-Pandemie in unterschiedlicher Weise auf die Beschäftigungssituation von Männern und Frauen ausgewirkt. Die Zahl der Frauen, die einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nachgehen, hat stärker abgenommen als die Zahl der geringfügig entlohnt beschäftigten Männer (Antwort des Senats auf die Große Anfrage „Wird die Corona-Pandemie geschlechtergerecht bewältigt?“Drs. 20/853).

Geschlossene Bars und Restaurants, fehlende Tourist:innen in den beiden Städten Bremen und Bremerhaven sind nur einige Gründe dafür, dass sich das Arbeitsvolumen in vielen Branchen, in denen eine Vielzahl von Minijobber:innen beschäftigt sind, in Folge der Pandemie stark reduziert hat. Während Arbeitgeber:innen für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte Kurzarbeit beantragen und somit Arbeitsplätze und ein Einkommen für viele Beschäftigte erhalten können, entfällt dieser Schutz für Minijobber:innen. Da Minijobber:innen oftmals keine oder nur befristete Arbeitsverträge haben, sind sie in der Pandemie oftmals diejenigen, die von Unternehmen zuerst entlassen werden. Während die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Vergleich des Juni 2019 und 2020 lediglich um 0,2 Prozent zurückgegangen ist, sank die Zahl der Minijobber:innen um 12 Prozent.

Bereits in der ersten Infektionswelle bis Juni 2020 haben rund 850.000 Mini-jobber:innen bundesweit ihre Arbeit verloren, oftmals ohne zeitnah eine Perspektive auf eine Wiederbeschäftigung zu haben. Neben dem fehlenden Anspruch auf Kurzarbeitergeld, besteht aufgrund der fehlenden Beiträge in die Sozialversicherungen ebenfalls kein Anspruch auf Arbeitslosengeld I und teils auch nicht auf Arbeitslosengeld II, sodass es sich bei Minijobber:innen um eine besonders vulnerable Gruppe handelt, für die in der derzeitigen Krise keine Hilfsmaßnahmen greifen. Mit der Länge der Pandemie und den Einschränkungen verschärft sich die finanzielle Situation all derjenigen Menschen, die ausschließlich einen Minijob zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ausüben sowie der Student:innen und Rentner:innen, die ebenfalls ohne zusätzliches Einkommen armutsge-fährdet sind oder deutliche Einschränkungen zu verzeichnen haben.

Um diesen Menschen Unterstützung zuzusichern, braucht es eine Bundes-Nothilfe für Minijobber:innen, die den vielfältigen Unterstützungsmaßnahmen für Beschäftigte und Unternehmen gleichkommt. Die Höhe der Unterstützung ist durch den Bund auf eine pauschale Höhe festzulegen, die monatlich ausgezahlt wird. Antragsberechtigt sollen all diejenigen Beschäftigten sein, die seit Beginn der ersten einschränkenden Maßnahmen am 16. März 2020 ihren Minijob verloren und noch keine neue Beschäftigung gefunden haben. Angesichts der Tatsache, dass viele Menschen seit geraumer Zeit Verdienst-ausfälle haben, ist eine schnelle Umsetzung der Nothilfe unumgänglich. Die Antragstellung ist barrierearm und unbürokratisch online zu gestalten.

Perspektivisch und über diese Krise hinaus, muss es darum gehen, auch Beschäftigten mit geringem Stundenumfang die Absicherung durch die So-zialversicherungen zu eröffnen. Der 2015 eingeführte gesetzliche Bundes-mindestlohn hat viele Menschen über die „Mini-Job-Schwelle“ gehoben, jedoch hat dieser insgesamt nicht so umfassend gewirkt wie erhofft. Zu wenige Beschäftigungsverhältnisse wurden in sozialversicherungspflichtige Teil- oder Vollzeitarbeit umgewandelt. Dass 2018 für rund zwei Drittel der Minijobber:innen im Land Bremen die gering entlohnte Beschäftigung einzige Einkommensquelle und lediglich bei einem Drittel Hinzuverdienst war, ist ein Warnzeichen.

Eine Anhebung der Verdienstgrenzen von 450 Euro auf 600 Euro, die auf Bundesebene von der CDU und FDP gefordert und von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vehement abgelehnt wird, ist keine Lösung. Vielmehr würden laut DGB bundesweit weitere 470.000 Menschen, die aktuell sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, unfreiwillig zu Minijobber:innen. Alle Arbeitnehmer:innen müssen die Möglichkeit erhalten, Schutz durch das Sozialversicherungssystem zu erhalten und ein gutes Auskommen über Arbeit zu sichern. Dabei steht der Bund ebenso wie die Länder in der Pflicht, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um gute Arbeit zu fördern. Gleichwohl kann der Bund die nötigen Regularien setzen, um allen Arbeitnehmer:innen den Schutz der Sozialversicherungen zu ermöglichen.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
1. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen,
a) dass die Bundesregierung eine pauschale monatliche Nothilfe für Minijobber:innen auflegt. Antragsberechtigt sind diejenigen, die seit dem 16. März 2020 ihren Minijob verloren, hierdurch in finanzielle Notlage geraten sind und noch keine neue Beschäftigung gefunden haben;
b) allen Arbeitnehmer:innen den Schutz durch die Sozialversicherungen zu ermöglichen sowie in Kooperation mit den Ländern geeignete Maß-nahmen zu prüfen und zu ergreifen, um sozialversicherungspflichtige Beschäftigung unter dem Leitbild guter Arbeit zu fördern.
2. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, im Rahmen der neuen be-schäftigungspolitischen Maßnahme „Perspektive Arbeit für Frauen (PAF)“ ausdrücklich auch jene Frauen zu fördern, die zuvor nur einer geringfügigen (nicht sozialversicherungspflichtigen) Beschäftigung nachgegangen sind.

Jasmina Heritani, Volker Stahmann, Dr. Carsten Sieling, Falk Wagner, Birgitt Pfeiffer, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Dr. Henrike Müller, Björn Fecker und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Ingo Tebje, Maja Tegeler, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE