Versorgung von Menschen mit Demenz verbessern, pflegende Angehörige unterstützen, gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen

Es ist eine erfreuliche Entwicklung, dass wir immer älter werden. Gleichzeitig steigt damit in unserer Gesellschaft das individuelle Risiko, an Demenz zu erkranken. Demenz ist eine Krankheit, die individuell unterschiedlich verläuft. In vielen Fällen schreitet sie nur langsam voran und gibt den betroffenen Menschen noch lange die Möglichkeit, aktive Mitglieder unserer Gesellschaft zu sein. Hierfür sind gute Beratung und Empathie und Respekt im sozialen Umfeld von zentraler Bedeutung. Daneben sind gute medizinische Versorgung und pflegerische Betreuung zentral, um die Selbstständigkeit zu erhalten, wenn die Krankheit fortschreitet. Es ist wichtig, dass Menschen mit Demenz in der Mitte der Gesellschaft bleiben und ein Leben in Würde und Selbstbestimmung führen können. Die Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen ist eine langfristige gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Tabuisierung von Demenz darf es nicht geben. Wir müssen mehr über Demenz erfahren. Wir müssen mehr über Demenz reden. Wir müssen mehr Verständnis für Demenz entwickeln, um besser helfen zu können. Fast alle Pflegebedürftigen wollen so lange wie möglich zu Hause gepflegt werden. Auch Menschen mit einer schweren Demenzerkrankung werden in Bremen und Bremerhaven überwiegend zu Hause gepflegt. Die pflegenden Angehörigen sind gerade bei dieser Krankheit so enorm wichtig. Aber sie wissen auch: Nicht immer sind Krisensituatio-nen vermeidbar, vor allem wenn es an Unterstützung im pflegerischen Alltag mangelt.

Nach einer Hochschätzung der Deutschen Alzheimer Gesellschaft lebten 2021 rund 13.600 Menschen mit einer Demenzerkrankung im Alter ab dem 65. Lebensjahr im Land Bremen. Dazu dürften ca. 780 jüngere Betroffene mit einer Demenzerkrankung kommen. Deren Zahl wird zunehmen. Ein gravierender Anstieg der Gesamtzahl wird in Bremen bis 2030 jedoch nicht erwartet. Neben der Pflege zu Hause gibt es im Land Bremen fünf spezialisierte statio-näre Pflegeeinrichtungen mit 366 Plätzen. Die überwiegende Mehrheit der Menschen mit einer schweren Demenzerkrankung wird zu Hause oder in anderen Pflegeeinrichtungen, teils in separaten Wohnbereichen gepflegt.

In der Stadt Bremen koordiniert die Demenz Informations- und Koordinierungsstelle (DIKS) die Beratung und Unterstützung von An- und Zugehörigen, die Menschen mit einer Demenzerkrankung unterstützen oder pflegen. Die DIKS erhält dafür eine institutionelle Förderung, die sukzessive angepasst worden ist. In Bremerhaven gibt es die koordinierende Funktion der DIKS nicht. Die DIKS ist auch keine Landesfachstelle im Sinne der Nationalen Demenzstrategie.

Bremen und Bremerhaven setzen in ihren Angeboten auf ein kleinräumiges und quartiersnahes Versorgungssetting. Das Angebot ist engagiert, vielfältig und innovativ. In einigen Bereichen ist es noch ausbaufähig. So gibt es für jüngere Menschen mit einer Demenzerkrankung als Angebot bislang nur eine Tagespflege in der Überseestadt. Zudem erhalten nicht alle Menschen mit einer Demenzerkrankung auf Grund von kulturellen und sprachlichen Barrieren eine für sie adäquate Unterstützung.

Für pflegende Angehörige besteht ein vielfältiges Angebot. Es besteht die Möglichkeit zur stunden- und tageweisen Verhinderungspflege, zur Tages- und Nachtpflege sowie zur Kurzzeitpflege. Diese Angebote sind nicht immer ausreichend, so schätzt das Gesundheitsamt Bremerhaven zum Beispiel die bestehenden Angebote der Verhinderungspflege weder als ausreichend noch bedarfsgerecht ein. Es gibt Selbsthilfegruppen, Vorsorge- und Rehabilitati-onsmaßnahmen, die jedoch oft nicht hinreichend bekannt und in Anspruch genommen werden. Eine aufsuchende Beratung könnte da Hürden überwinden helfen.
Bei drohenden Krisen benötigen Menschen mit einer Demenzerkrankung und pflegende Angehörige schnell unbürokratische Hilfe durch einen qualifizierten Krisendienst, der aufsuchend tätig ist und rund um die Uhr zur Verfügung steht. Gerade für Notfallsituationen ist zudem eine jederzeit aktuelle Übersicht über ambulante und stationäre Pflegekapazitäten wichtig. Hierfür gibt es in Bremen zwar seit 2022 ein Pflegeportal, das bisher aber auf rein freiwilliger Basis befüllt wird und nicht unbedingt die benötigten tagesaktuellen Informationen liefert.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

1. im kommenden Jahr eine landesweite Kampagne in der Woche um den Welt-Alzheimertag am 21. September zu organisieren, die über Demenz aufklärt, für gesellschaftliche Akzeptanz wirbt und auf Beratungs- und Hilfsangebote hinweist;
2. die bestehenden Beratungsangebote zum Thema Demenz im Land Bremen ab-zusichern und Bedarfe und Möglichkeiten eines wohnortnahen Ausbaus zu prüfen;
3. gemeinsam mit der DIKS e.V. und dem Magistrat zu beraten, wie auch in Bremerhaven ein Beratungs-, Informations- und Vernetzungsangebot zum Thema Demenz etabliert werden kann und in diesem Rahmen auch die Einrichtung einer Landesstelle für Demenz zu prüfen;
4. auf eine gute kleinräumige Datenlage hinsichtlich Zahl und Art von Demenzerkrankungen hinzuwirken, um passgenaue und wohnortnahe Beratungs- und Hilfsangebote gewährleisten zu können;
5. eine Meldepflicht für tagesaktuelle Kapazitätsangaben im Bremer Pflegeportal zu schaffen, damit insbesondere in Krisensituationen schnell eine geeignete Einrichtung gefunden werden kann;
6. die Informationen über Beratungs- und Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige zu intensivieren und zu prüfen, inwieweit aufsuchende Angebote dabei helfen können;
7. auf einen bedarfsgerechten Ausbau von Angeboten der Verhinderungs-, Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege im Land Bremen hinzuwirken;
8. den Ausbau des Krisendienstes des Sozialpsychiatrischen Dienstes zu einem 24/7-Krisendienst in Steuerungsverantwortung des ÖGD konzeptionell vorzubereiten;
9. adäquate Unterstützungs- und Beratungsangebote für jüngere Menschen mit einer Demenzerkrankung sowie für Betroffene mit kulturellen und sprachlichen Barrieren zu entwickeln;
10. die nach §§ 23 und 24 des Bremischen Krankenhausgesetzes zu erstellenden Behandlungskonzepte für Patient*innen mit Demenzerkrankung sowie Aus-, Fort- und Weiterbildungsberichte auf Verbesserungspotenziale hinsichtlich einer demenzsensiblen Krankenhausversorgung zu überprüfen;
11. bei der Gestaltung von Angeboten der Gesundheitsprävention sowie bei der Wohn- und Betreuungsaufsicht ein besonderes Augenmerk auf wirksame Maß-nahmen sowohl der Verhältnis- als auch der Verhaltensprävention von Demenzerkrankungen zu legen;
12. der staatlichen Deputation für Gesundheit, Pflege und Verbraucherschutz binnen sechs Monate nach Beschlussfassung und danach fortlaufend über die Umsetzung zu berichten.

Ralph Saxe, Dr. Henrike Müller und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ute Reimers-Bruns, Katharina Kähler, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Maja Tegeler, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE
Rainer Bensch, Kerstin Eckardt, Frank Imhoff und Fraktion der CDU