Tegeler: Betriebliche Teilhabe

Transformation braucht Mitbestimmung – Betriebsverfassungsgesetz reformieren

Betriebsräte und deren Mitglieder sind ein Grundpfeiler in der Gestaltung von guter Arbeit und nehmen kontinuierlich Einfluss, um die Arbeitsbedingungen ihrer Kolleg*innen zu verbessern. Gleichzeitig ist die betriebliche Mitbestimmung ein wichtiger Baustein der demokratischen Gesellschaft: In aktiv gelebten Mitbestimmungskulturen wird demokratische Teilhabe gelernt und gelebt und sich traditionell gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus und für eine vielfältige und integrative Gesellschaft engagiert. Die Betriebe sind Orte der Gemeinsamkeit und der Integration. Basis hierfür ist das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) von 1952, welches in den vergangenen 70 Jahren von denjenigen Regierungen, die sich aus politischer und gesellschaftlicher Überzeugung für eine aktive Mitbestimmung in den Betrieben eingesetzt haben, immer wieder aktualisiert und reformiert wurde.

Die Arbeitswelt hat sich allerdings währenddessen grundlegend gewandelt und ihr stehen weitere Änderungen bevor. Ob demografischer Wandel, Digitalisierung, die Transformation der Wirtschaft auf sozial-ökologischer Basis oder das Aufkommen einer Plattformökonomie – viele in der heutigen Arbeitswelt relevante Aufgaben werden im Betriebsverfassungsgesetz in seiner jetzigen Form nicht ausreichend berücksichtigt. Zum Beispiel enden Unternehmen nicht mehr am Werkszaun. Der „Betriebsbegriff“ ist neu und umfassender zu fassen. Hinzu kommt auch das wichtige Ziel, Geschlechtergleichheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Darüber hinaus arbeiten immer mehr Menschen in multinationalen Konzernen, in denen Mitbestimmung mit der aktuellen rechtlichen Grundlage schwierig durchzusetzen ist.

Unternehmen und Betriebe können die neuen Herausforderungen nur erfolgreich bestehen, wenn die Beschäftigten in den Veränderungsprozess eingebunden werden und die Weichen für wesentliche Zukunftsentscheidungen gemeinsam gestellt werden. Die erfolgreiche Bewältigung von Innovation und Veränderung setzt Vertrauen, Teilhabe und soziale Sicherheit voraus, die nur mit und nicht gegen die Beschäftigten erreicht werden kann. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz aus dem Jahr 2021 war ein wichtiger Schritt, um die Betriebsverfassung auf die Höhe der Zeit zu bringen. Dies kann aber nur der Anfang gewesen sein. Wir wollen eine große Reform der Betriebsverfassung und den Betriebsräten bessere Bedingungen für ihre Arbeit, mehr Schutz und umfassendere Mitbestimmungsrechte geben. Dazu gehört auch, die Arbeit der Betriebsrät*innen als Arbeit anzuerkennen und nicht als „Ehrenamt“ klein zu halten.

Im vorletzten Jahr, zum 50. Jahrestag der letzten grundlegenden Reform des Gesetzes, hat der DGB einen Entwurf vorgestellt, mit dem Betriebsräten die notwendigen rechtlichen Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden sollen, um die Arbeitswelt von heute und von morgen mitzugestalten. Dies ist eine gute, gemeinsam von vielen Expert*innen erstellte Grundlage für die notwendige Modernisierung des BetrVG. Auf Basis dieser Grundlage ist eine Reform des BetrVG umzusetzen.

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert daher den Senat auf, sich zeitnah im Bundesrat und möglichst gemeinsam mit anderen Bundesländern dafür einzusetzen, dass

  1. das Betriebsverfassungsgesetz noch in dieser Legislaturperiode reformiert wird;
  2. dabei der Vorschlag des DGB und dessen Mitgliedsgewerkschaften einbezogen wird (Betriebliche Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert. Gesetzesentwurf für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz: 2022), wobei insbesondere folgende Forderungen Beachtung finden sollen:
    • ein umfassender Kündigungsschutz im Prozess der Betriebsratsgründung,
    • die Einstufung einer Behinderung der demokratischen Mitbestimmung als Offizialdelikt,
    • weitere Anpassungen an die Digitalisierung der Arbeitswelt durch ein generelles Recht auf Hinzuziehung von externen Sachverständigen, ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften in die Betriebe und Nutzungsmöglichkeiten betrieblicher Kommunikationswege sowie der technischen Ausstattung des Arbeitsgebers, Mitbestimmung auch bei der Einführung von mobiler Arbeit und Verbesserungen beim Datenschutz der Beschäftigten,
    • die Bildung von Umwelt- und Gleichstellungsausschüssen,
    • ein Initiativ- und Mitbestimmungsrecht bei allen Fragen der quantitativen und qualitativen Personalplanung und Personalbemessung,
    • ein generelles Initiativ- und Mitbestimmungsrecht mit zwingendem Einigungserfordernis bei Fragen der Weiterbildung,
    • eine erweiterte Mitbestimmung beim Thema Künstliche Intelligenz: von der Planung über Rahmenfestlegungen bis zu einzelnen Maßnahmen,
    • Erweiterung des Geltungsbereiches der Mitbestimmung um arbeitnehmerähnliche Personen und Dienst- und Werkverträge;
  3. die Beteiligung von Betriebsratsmitgliedern verschiedener Branchen hierbei gewährleistet wird.

Maja Tegeler, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE
Volker Stahmann, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Dr. Henrike Müller und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN